Genau so war es nicht gedacht
Tolle Version von „The Giving Pledge“ in Europa: Jetzt überträgt Ferdinand Piech seine Beteiligungen zwei neu gegründeten Stiftungen – in Österreich. Da hat alles Werben für stifterische Aktivitäten deutscher Milliardäre nichts geholfen. Die österreichischen Privatstiftungen sind da noch einen Zacken schärfer als die in Liechtenstein – die Liechtensteiner haben schließlich neben ihren steuerschlupfwinkeligen Möglichkeiten auch eine Kultur des gemeinnützigen Stiftens mit dem neuen Stiftungsgesetz im vergangenen Jahr geschaffen. Das fehlt in Österreich. Stiftung ist halt nicht immer gleich gut.
Bertelsmann-Republik: Ein gutes Buch
Ausgelesen! Thomas Schuler hat ein Buch zur Bertelsmann Republik Deutschland geschrieben. Das Buch ist äußerst angenehm zu lesen, weil der Leser nicht – wie bei ähnlichen Büchern zuweilen der Fall – das Gefühl hat, dass hier einer unbedingt mit dem Holzhammer aufs Stiftungswesen einschagen will. Schuler stellt ja nicht in Abrede, dass die Bertelsmann Stiftung auch viele Dinge tut, die der Gesellschaft nützen. Aber er wirft die Frage auf, ob es nicht dem Konzern sogar immer noch ein bisschen mehr nützt als der Gesellschaft. Über die steuerlichen Rahmenbedingungen für die gemeinnützige Bertelsmann Stiftung und über Steuersystematiken insgesamt wird man ja wohl noch reden dürfen. Das hat die seit Jahren existierende Kampagne, die auf www.anti-bertelsmann.de zu finden ist, nicht geschafft; Thomas Schuler gelingt es.
Wer sich gut auskennt, entdeckt einige Fehler. Das Thema „Bertelsmann und Bürgerstiftungen“ stimmt so einfach nicht. Aber das sind Kleinigkeiten. Und noch einmal: Schuler sagt überhaupt nicht: alles falsch, alles Quatsch. Schulers Buch ist daher eher ein Beitrag f ü r das gemeinnützige Stiftungswesen insgesamt. Man sollte bloß genauer hinsehen.
Wie gut die Maschinerie in Gütersloh allerdings funktioniert, zeigt sich daran, dass mir immer wieder Stiftungsleute sagen, sie wollten sich nicht äußern, sie hätten schließlich auch schon von der Bertelsmann Stiftung profitiert. Genau darauf läuft das System ja hinaus.
Götz Gutgemacht Werner
Jetzt sollte ich vielleicht doch von Rossmann zu dm wechseln? Die Umwandlung in einer Stiftung – zumindest nach dem Tod – ist dann doch ein schönes Zeichen. Dass Götz Werner seine Botschaft jetzt verkündet, dürfte aber kaum etwas mit der Initiative amerikanischer Milliardäre zu tun haben. Unsere Gesellschaft ist selbstbwusst genug, dass sie eigene Akzente setzt. Dennoch wird jetzt nicht die große Stiftungswelle losbrechen. Denn wie die Stiftung genau funktioniert und ob sie sofort mit der gemeinnützigen Arbeit beginnt, war ja gestern von der dm-Pressestelle noch nicht zu erfahren. Aber spannend ist es schon.
Bin gespannt, was die Kritiker, die hinter jeder Stiftung nur ein Steuersparmodell vermuten, jetzt wieder daran finden…
Wieder einmal die Reichen
Da ich nicht zwei verschiedene Meinungen habe, kann ich meinen Gastkommentar, der heute im „Tagesspiegel“ stand, eigentlich auch noch einmal in meinen Blog hauen:
Theo Albrecht ist tot. Und obwohl er mit seinem Bruder über Jahrzehnte die Liste der reichsten Deutschen angeführt hat, reibt sich die Öffentlichkeit verwundert die Augen und fragt, was mit dem Vermögen eigentlich für die Gesellschaft getan wird. Die Albrechts haben und hatten Stiftungen – die Markus-Stiftung und die Siepmann-Stiftung –, aber besonders aufgefallen sind die beiden auch als Wohltäter in der Tat nicht. Damit befinden sie sich in guter Gesellschaft: Über 800 000 Millionäre gibt es in Deutschland, der Anteil der großen Stifter unter ihnen liegt im Promillebereich.
Und doch kann sich Deutschland sehen lassen – auch was die Stiftungen der sogenannten Reichen angeht. Nur vergessen wir zu oft, dass hinter den großen Projekten der Körber-Stiftung, der „anstiftung“, der Zeit-Stiftung und der Hertie-Stiftung reiche Persönlichkeiten steckten oder stecken. Von privaten Wohltätern profitiert durchaus auch das an großen Stiftungen arme Berlin: Sigrid Kressmann-Zschach, Dieter Rosenkranz und Ruth Cornelsen sind nur drei Namen von vielen.
Mehr privates Stiftungsgeld fürs Gemeinwohl wäre wunderbar. Doch auch ohne das Geld der Albrecht-Brüder bricht unser Land nicht zusammen. Unser System ist, anders als in den USA, wo jetzt Buffet und Gates eine beispiellose Wohltätigkeitsaktion gestartet haben, darauf weniger angewiesen: Dort ist der Wohlfahrtsstaat weniger stark ausgeprägt, und in Skandinavien, wo man noch staatsgläubiger ist als bei uns, fehlen dagegen bis auf wenige Ausnahmen die ganz großen Stifter, die Deutschland schließlich vorzuweisen hat. Es ist erst zwei Jahre her, dass mit einer Milliarde Euro Stiftungskapital eine der größten Stiftungen in Hamburg ihre Arbeit aufnahm. Das war so viel wie alle anderen 1000 neuen Stiftungen des Jahres 2008 zusammengenommen: Der Tchibo-Miteigentümer Joachim Herz war 67-jährig gestorben und hatte schon zuvor testamentarisch festgelegt, dass das Vermögen einmal in eine Stiftung fließen soll. Es gibt sie also, die weisen, vorausschauenden, guten Reichen.
Große allgemeine Appelle helfen im Übrigen selten. Eine Milliardärin, aber auch ein kleiner Millionär möchte nicht von einem Regierenden Bürgermeister oder einer Ministerpräsidentin vorgeschrieben bekommen, wofür das Vermögen einzusetzen ist. Doch es gibt einen Weg, der bisher viel zu selten beschritten wurde: Wenn sich nämlich jede Landesregierung einmal Gedanken über die jeweils 100 reichsten Einwohner machte, wenn sie bedacht, unverkrampft und unaufgeregt überlegte, über welches Netzwerk man jeden Einzelnen langfristig erreicht, um ihm oder ihr die guten Seiten einer gemeinnützigen Stiftung darzulegen. Dann spricht die Staatssekretärin schon bald mit dem Millionär, der in ihrem Tennisclub spielt, und der Oberstaatsanwalt, den der Wirtschaftssenator kennt, mit der Milliardärin aus Zehlendorf, die seine Cousine ist. Nur in zehn Prozent der Fälle wird man erfolgreich sein. Aber so hätten wir in zehn Jahren ohne Druck und moralischen Zeigefinger in Deutschland 160 neue Millionen- oder gar Milliardenstiftungen.
Und ganz ehrlich: Bucerius Law School, Hertie School of Governance, Jacobs University Bremen – alles wohlklingende Institutionen. Aber eine Aldi-Universität? Wer möchte schon mit einem Aldi-Abschluss durchs Leben gehen?
Kein Giving Pledge in Deutschland
Zu meinem gestrigen Interview bei Radio1 mit Volker Wieprecht noch ein Nachtrag: Ich glaube keineswegs, dass die Wohltätigkeitswelle aus den USA jetzt so ungefragt auf Deutschland überschwappen wird… Zumindest nicht ohne ein paar neue intelligente Ansätze bei der persönlichen Werbung um neue Stiftungen.
Jetzt geht es also um Niederlande gegen Spanien. Dabei waren alle im Höheflug. Und die deutsche Mannschaft hatte doch wirklich vorzüglich und atemberaubend gespielt (bis gestern). Auf der Stiftungsveranstaltung gestern mit gemeinsamem Spielgucken sank trotz der Fahnen-Girlanden, die alle trugen, und der peinlichen pädagogischen Aufforderung eines MdB, die Nationalhymne mitzusingen (indem er durch den Saal schritt und laut singend zu den Besuchern trat, die nicht mitsangen – auch recht falsch, wie weiland Wohlrabe am 10. November 1989), die Stimmung nach dem Abpfiff natürlich auf den Nullpunkt. Vielleicht lag es auch daran, dass zu wenige Stifter mit auf dem Feld waren? Metzelder, Lell und Asamoah waren ja diesmal nicht von der Partie. Die einzigen Stifter auf dem Feld also Mertesacker (gestern stark wie nie) und Lahm (für ihn hat der Name der „Stiftung Zurückgeben“ einen ganz neuen Beigeschmack bekommen, wenn man an die Kapitänsbinde denkt). Allerdings habe ich noch nicht nachgeforscht, wie viele spanische Spieler zuhause bereits eine Stiftung errichtet haben.
Schade eigentlich, denn ich hatte ja vorgeschlagen, dass wir endlich nach erfolgreicher WM 2010 (also nach dem 4. Stern) eine neue kapitalstarke Stiftung bekommen, die „Weltmeisterstiftung“, in die jeder aus dem Kader eine Million Euro steuerfrei stiftet – für Jugendprojekte im Fußball, aber auch in der Integration und der Kultur. Könnte man eigentlich trotzdem machen…
Schritt zurück für Astrup Fearnley Museum
Die neue Mehrwertsteuer auf Veranstaltungs- und Eintrittsgelder bei Kultureinrichtungen und Sportevents hat in Norwegen schon wenige Monate nach Inkrafttreten zu negativen Folgen geführt, die die Regierung vermutlich nicht erwartet hatte. Da es nunmehr auch die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug für Kulturinstitutionen gibt, führt die Stiftung Thomas Fearnley, die für das Astrup-Fearnley-Museum in den vergangenen Jahren keinen Eintritt verlangt hat, wieder Eintrittsgelder ein. Außerdem sind die Kataloge für die Mitglieder des kostenlosen Freundeskreises nicht mehr kostenlos. Aus dem kostenfreien Freundeskreis wird ein kostenpflichtiger Förderverein. Die Kulturmehrwertsteuer sollte eigentlich vor allem für kommerzielle Anbieter von Sport und Kultur treffen. Nun trifft sie indirekt auch die Stiftungen und direkt die Menschen, die nun nicht mehr umsonst ins Museum kommen.
Eine Stiftung für Auschwitz?
Nun hat Nochministerpräsident Rüttgers eine Stiftung vorgestellt, die es ermöglichen soll, dass alle Zehntklässler aus NRW eine Fahrt nach Auschwitz unternehmen. Stiftungen und Auschwitz, da kommt einem beim Aufziehen in die europäische Dimension, die norwegische „Stiftung Weiße Busse nach Auschwitz“ in den Sinn. Die Stiftung, die norwegischen Jugendlichen ein Deutschlandbild vermitteln will, indem es an die Grausamkeiten des Nazi-Regimes erinnert, steht inzwischen in Norwegen in heftiger Kritik.
Die Fahrten stellen ein einseitiges Bild dar, andererseits verträgt es sich mit dem Respekt vor den Opfern nicht, wenn johlende Schulklassen durch das Lager ziehen, sich am Abend vorher besaufen oder die Fahrt nach Polen zum Erwerb von Waffen nutzen (alles schon mehrmals vorgekommen). Mein Kommentar dazu in der „Bergens Tidende“ hat schon am 30. Januar 2006 auf dieses Missverhältnis hingewiesen. Wie ein makabrer Reiseführer las sich viele Jahre das Angebot der Stiftung: Da konnte man sinngemäß entweder „sechs KZs in zehn Tagen“ oder „zwei KZs in fünf Tagen“ buchen. Zahlreiche weitere Kommentatoren aus Norwegen unterstreichen diese Kritik.
Im Fall der NRW-Stiftung liegen die Karten etwas anders. Dass den Zehntklässlern die Schrecken des Nationalsozialismus vor Augen geführt werden, ist traurige Pflicht und kann durchaus Perspektiven für die Zukunft eröffnen. Es ist ja nicht die erste Begegnung, die die Jugendlichen mit Taten von deutscher Hand haben. Allerdings ist die Fokussierung auf Auschwitz zu kurz gedacht. Ein deutsch-polnischer Jugendaustausch, eine Fahrt zur „Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau“, ein Besuch der Berliner Ausstellung „Topographie des Terrors“ können ebenfalls Elemente einer wichtigen Geschichtsvermittlung sein. Die Qualität und Wirkung im Sinne von Erziehung zu Offenheit, Toleranz und Demokratie steht und fällt nicht mit einem Besuch in Auschwitz.
Stiftungsvariationen
Zwei Tage hintereinander bei zwei völlig unterschiedlichen Stiftungen, eine in Oslo, eine in Berlin. Die eine war durch einen Stiftungsskandal Auslöser für eine gesamte Gesetzesreform, die andere ist ein Musterbeispiel dafür, dass man auch mit einer kleinen 50.000-Euro-Stiftung riesige Dinge bewegen kann.
Die Astrup Fearnley Stiftelse macht allerdings inzwischen auch vorbildliche Arbeit. Sie präsentiert ihre Sammlung in einem eigenen Museum und ergänzt die Schau durch Sonderausstellungen – derzeit mit Gardar Eide Einarsson. Übrigens alles kostenlos für die Besucher. Wer dem kostenlosen Freundeskreis beitritt, erhält ebenfalls gratis zu jeder Ausstellung, die er besucht, auch den Katalog. Das Museum erfreut sich großer Beliebtheit – hierzulande ist man ja eigentlich der Meinung, was nichts kostet, sei auch nichts wert. Stimmt also nicht.
Heute dann der Besuch bei der Jenny de la Torre-Stiftung. Die Ärztin aus Peru ist Entwicklungshelferin in Deutschland – im besten Sinne. Schon als sie am Berliner Ostbahnhof in einer Ambulanz für Obdachlose arbeitete, fiel sie durch ihr außergewöhnliches Engagement auf – und erhielt die „Goldene Henne“ für ihren Einsatz. Das Preisgeld, das vom Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband kam, gab sie in eine Stiftung. 25.000 Euro betrug das Preisgeld, weitere 25.000 waren nötig, um die Stiftung zu errichten. Auch heute, acht Jahre nach Errichtung, liegt das Stiftungskapital bei nur rund 70.000 Euro.
Aber die unermüdliche Ärztin hat ein effektives Gesundheitszentrum in Berlin-Mitte aufgebaut. Dieses stifterische private Engagement ist für Berlin einmalig: Die Jenny de la Torre-Stiftung erhält zwar das Haus mietfrei vom Senat, ansonsten aber keinen einzigen Euro für die Arbeit. Sie ist mittlerweise Arbeitgeber für sechs Fachleute, die Obdachlose und Menschen ohne Krankenversicherung betreuen – weit über die medizinische Ersthilfe hinaus. Jedes Jahr muss die Stiftung von neuem nach Unterstützung suchen. Ihr wäre ein weiterer dauerhafter Sponsor (die GASAG engagiert sich bereits regelmäßig) zu wünschen.
Ein Stiftungspräsident geht
Dass das Klima im Bundespräsidialamt für die Mitarbeiter kaum zum Aushalten war (und dass das durchaus auch am Hausherren lag), bekamen Leute aus dem Stiftungswesen schon früh mit – lange bevor die „Süddeutsche“ darüber schrieb. Allerdings geht mit Horst Köhler auch ein wirklich stiftungsfreudiger Bundespräsident. Namentlich die Bürgerstiftungen konnten sich stets der Unterstützung sicher sein. Die Rede zum 10-jährigen Bestehen der Neuen Bürgerstiftungsbewegung in Wismar im Oktober 2008 gehörte dazu, die Einleitung im Buch „Gemeinsam Gutes anstiften“ (über die Entstehungsgeschichte der Bürgerstiftungen in Deutschland) ebenfalls. Ein Glanzmoment in der Beziehung Stiftungen-Bundespräsident war auch die Festveranstaltung mit Überreichung der Goldmedaille für Verdienste um das Stiftungswesen an Gerhard Schmidt durch den Präsidenten. Die Medaille fiel bei der Überreichung erst einmal auf den Boden…
Nun also ein Wechsel, und die Stiftungen müssen sich auf einen neuen Ansprechpartner einstellen. Aber Stiften ist inzwischen beliebt geworden, der nächste Präsident wird vermutlich ebenfalls stiftungsfreundlich sein. Wenn die Kanzlerin schlau ist (und das ist sie ja manchmal), lobt sie ihre größte Konkurrentin weg und setzt Uschi durch – und die ist ja schon heute als besonders stiftungsfreundlich bekannt.




