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Kurzkritik 100 Jahre LANV

von broemmling am 16. März 2021

So muss eine Festschrift sein. Diesem Buch merkt man auf den ersten Blick nicht an, dass es sich um das Auftragswerk eines Verbandes zu dessen 100-jährigem Bestehen handelt, ein Jubel-Jubiläumsband also. Und das, obwohl Auftrag und Anlass klar benannt sind. Nach der Lektüre ist man um viele Erkenntnisse reicher, ohne das Gefühl zu haben, man sei hier einem Propagandabuch auf den Leim gegangen. Wie funktioniert das?

Jürgen Schremser und Toni Büchel haben bei der Konzeption und Redaktion des Werkes auf die richtige Mischung geachtet: nicht zu viel Verband, aber auch nicht zu wenig, bereichert um übergeordnete Themen, alles durchzogen von einer Zeitleiste, die über Beschlüsse, Entwicklungen und Ereignisse aus 100 Jahren LANV informiert. Aus Gesprächen der Redakteure (in Liechtenstein ist der Redakteur ein Redaktor) mit zentralen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik, Gewerkschaft und Verwaltung stammen die Zitate, die ebenfalls über das ganze Buch verteilt sind. So trotzen Autorinnen und Autoren wie Gestalter erfolgreich der Gefahr, dass eine 100-jährige Verbandsgeschichte sich schnell so dröge liest wie die Satzung einer Kleingartenkolonie.

Ein einziger Kritikpunkt meldet sich gleich beim Aufschlagen des Buches und will einen nur schwer verlassen. Auch wenn es ein Jubiläumsbuch ist und man den Verband natürlich nicht in schlechtes Licht setzen will, wirkt es an einigen Stellen doch eine Nuance zu glatt. Das fällt eigentlich nur bei einem Thema auf. Gleichen Lohn für gleiche Arbeit wie die der männlichen Kollegen bekommen die Arbeitnehmerinnen in Liechtenstein bis heute nicht (das ist leider auch in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich nicht anders). Doch schon durch den Titel gewinnt man den flüchtigen Eindruck, im fortschrittlichen Liechtenstein seien schon vor 100 Jahren die Frauen gleichberechtigt gewesen. 100 Jahre Liechtensteinischer ArbeitnehmerInnenverband LANV? Das klingt sympathisch und aufgeschlossen. Wenige Seiten später erfährt man dann aber doch, dass die Frauen erst 82 Jahre nach Gründung im Verbandsnamen sichtbar wurden, Ergebnis der Bemühungen einer fünf Jahre zuvor, 1997, gegründeten Frauengruppe. Auch im Verband ist der Weg nach oben offenbar nicht ohne Hürden: Bislang hatte der LANV in den ersten 100 Jahren seines Bestehens erst eine Präsidentin, Alice Fehr. Die übrigen Präsidenten und sämtliche Vizepräsidenten: alles Männer. Aber dafür kann schließlich das Buch nichts.

100 Jahre Liechtensteienischer ArbeitnehmerInnenverband LANV 1920-2020. BVD, Schaan 2020. 123 Seiten.

Von → Allgemein, Rezension