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Kurzkritik Beckmann|Walter: Email-Korrespondenz

von broemmling am 10. Januar 2021

Ausgelesen! Digitalisierung war einer der Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2020. Der technische Fortschritt hat ein Tempo erreicht, mit dem nicht jeder Schritt halten kann. Man profitiert von den neuesten Entwicklungen umso stärker, je sicherer man sich auf den Einstiegsmedien bewegt. Grobe Schnitzer aber sind bei vielen auch heute noch beim Schreiben von E-Mails, beim Surfen im Internet, bei Kurznachrichten welchen Anbieters auch immer an der Tagesordnung. Da scheint ein kleiner Leitfaden zur E-Mail-Korrespondenz. Juristisch und sprachlich korrekt eine sinnvolle Hilfestellung zu sein. Der in der Reihe Beck kompakt erschienene Leitfaden erfüllt die Erwartungen – allerdings mit Einschränkungen. Doch wer kritisch liest und bei den einzelnen Hinweisen darüber nachdenkt, welcher Formulierungsvorschlag für die eigene Arbeit passt, wird das Büchlein gut nutzen können. Das beste Argument für dieses Buch: Die 127 Seiten enthalten alle großen Fragen, die der Gebrauch von E-Mails aufwirft. Das beste Argument dagegen: Die Antworten werden in nicht wenigen Fällen nicht auf die eigene Arbeitssituation passen. Das beginnt bei der Anrede. Die Autoren weisen zwar auf die Notwendigkeit zielgruppengerechter Anrede hin. Die dafür gelieferten Vorschläge sollte man jedoch für bestimmte Zielgruppen, etwa für Adressaten im Stiftungswesen, nicht – oder zumindest nicht gedankenlos – übernehmen. Zu oft gilt im Büchlein Hallo als passend, dabei empfinden einige Stifter:innen und Stiftungsvertreter:innen jedes Hallo in der Anrede wahlweise als indiskutabel, frech oder übergriffig. Die Anredeform Liebe/r dagegen ist in der Stiftungskorrespondenz deutlich häufiger als es hier den Eindruck erweckt. Schlicht falsch ist die Information, nach der Änderung des Personenstandsgesetzes könne ab 1. Januar 2019 ins Personenstandsregister auch diverses eingetragen werden. Das klingt ignorant und ist misslich; denn weiterhin generisches Maskulinum verwenden können allenfalls jene, die sich mit dem Diskurs zur gendergerechten Sprache zumindest ernsthaft auseinandergesetzt haben. Da kommen im Falle der Autoren Zweifel auf. Dass das Gendersternchen für Diversität steht, weil es die LGBTIQA+-Community einbezieht, erfährt man zumindest aus diesem Buch nicht. Zum Gebrauch geschlechterneutraler Anrede durch die Nennung von Vor- und Zunamen regen die Autoren an, ohne auf ein mögliches datenschutzrechtliches Risiko hinzuweisen. Dafür übernehmen sie kritiklos die Versatzform Studierende, obwohl das Wort etwas anderes bezeichnet als Studentinnen und Studenten. Auch die Hinweise zu Einfacher und Leichter Sprache sind missverständlich. Leichte Sprache ist zumindest nach Definition des Vereins Netzwerk Leichte Sprache kein Ersatz für den ursprünglichen Text, sondern kann nur zusätzliches Angebot sein. Doch wegen vieler grundsätzlicher Hinweise zum Verfassen von E-Mails, zum Erscheinungsbild, zur Rechtsverbindlichkeit und zu Schreibweisen ist das Büchlein zu empfehlen; es gibt in dieser Kürze kaum Alternativen.

Edmund Beckmann | Steffen Walter: E-Mail-Korrespondenz. Juristisch und sprachlich korrekt. Verlag C. H. Beck, München 2019. 127 Seiten, 7,90 Euro. 978-3-406-73685-8.

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