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Kurzkritik Hanna Jansen: Und wenn nur einer dich erkennt

von broemmling am 30. April 2018

Ausgelesen! Für ihren Roman Und wenn nur einer dich erkennt hat sich Hanna Jansen von einer historischen Gestalt inspirieren lassen, die mehr Bekanntheit verdient, als man gemeinhin denken mag. Denn beim Siegburger Lottchen, das von 1912 bis 1971 in der Stadt an der Sieg lebte, handelte es sich nicht nur um eine lokale Sensation, sondern um einen außergewöhnlichen Menschen, der als Zwitter zur Welt kam und nicht, wie es viele andere erfahren mussten, in die eine oder andere Richtung umoperiert wurde. Nicht dass das historische Lottchen keine Würde besessen hätte; es hatte in der Gesellschaft durchaus seinen Platz. Hanna Jansen bringt uns diese Würde aber kunstvoll in unsere Vorstellung; sie macht aus dem Lottchen ein Friedchen und begleitet es von seiner Geburt 1912 bis zum Ende des nationalsozialistischen Regimes. Dabei webt sie viel Lokalhistorie und Gesellschaftsgeschichte mit in den Roman, für meinen Geschmack ein bisschen zu viel, doch tut das dem Leseerlebnis keinen Abbruch. Es ist erstaunlicherweise gleichzeitig ein Werk, das sensibilisiert für die Zukunft, nachdem die Existenz eines dritten Geschlechtes höchstrichterlich anerkannt worden ist. Das aber wusste schon Platon: „Nämlich unsere ehemalige Natur war nicht dieselbe wie jetzt, sondern eine andere. Denn erstlich gab es drei Geschlechter von Menschen, nicht nur zwei, männliches und weibliches, sondern es gab noch ein drittes dazu, welches das gemeinschaftliche war von diesen beiden.“ Ziemlich klug. Und geschrieben 400 v. Chr. Mit Hanna Jansens Roman ist dem Bernstein-Verlag ein weiterer Glücksgriff gelungen. Unbedingte Leseempfehlung.

Hanna Jansen: Und wenn nur einer dich erkennt. Roman. Bernstein-Verlag, Siegburg 2017. 199 Seiten, 16,80 Euro. 978-3-945426-33-3.

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