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Kurzkritik Bertina: „Mona Lisa in Bangoulap“

von broemmling am 28. März 2017

Ausgelesen! Der Franzose Arno Bertina hat mit Mona Lisa in Bangoulap eine wunderbare kleine Fabel verfasst, die allen empfohlen sei, die sich mit Kulturgut, Raubgut, Beutekultur befassen – und allen anderen, die das nicht tun, ebenso. Denn der Autor führt das Gedankenexperiment durch, was eigentlich passierte, wenn die Einwohner ferner Länder plötzlich freien Zugang zu ihren Kulturgütern verlangten, die von ehemaligen Kolonialmächten und Ausgrabungspartnern in Europa stolz zur Schau gestellt werden. Und freier Zugang hieße in diesem Fall nicht nur freier Eintritt in die Museen, sondern auch freie Einreise, um überhaupt bis zu den Museen vorzudringen. Ein spöttisches Szenario, dem der Leser wenig entgegensetzen kann. Denn natürlich wird Berlin die Nofretete nie an Ägypten geben; aber wie könnten wir einem Ägypter verwehren, ein so wichtiges Exponat seiner Geschichte einmal im Original sehen zu dürfen? Neue Ströme von Reisenden würden Europa fluten. Wird sich dann Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und damit Herr über Nofretete, vor die Kameras stellen, eine Raute machen und sagen: „Wir schaffen das“? So kann der Leser Bertinas Gedankenfäden weiterspinnen. Er kann aber auch am Text bleiben, der amüsant und entlarvend genug ist für das Verhalten der vermeintlich großen Kulturnationen. Und mindestens ebenso schøn wie die Grundidee sind des Autors Sticheleien vornehmlich gegen die Franzosen, die sich der Eintrittskarteneinnahmequelle des Louvre beraubt sähen, wie gegen die Italiener, die nun Zugang zu allen ihren römischen Skulpturen in den Museen dieser Welt verlangten.

Arno Bertina: Mona Lisa in Bangoulap. Die Fabel vom Weltmuseum. Aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Bénédictine Savoy. Matthes & Seitz, Berlin 2016. 78 Seiten, 15 Euro. 978-3-95757-346-9.

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