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Kurzkritik „Leben im Denkmal“ und viele andere

von broemmling am 19. Februar 2017

Ausgelesen! Zu meinem Lesepensum der vergangenen Woche zählten auch zahlreiche Titel, die weiterführende Informationen über das Schwerpunktthema des Frühlingsheftes von VIERVIERTELKULT bieten. Im nächsten VIERVIERTELKULT wird es um Rekonstruktionen gehen. Inzwischen bin ich durch alle Titel durch, wobei ich durchaus zugebe, dass ich weder die 750 Seiten von Ulrike Sbresnys Sammlungen des Adels noch die 1.025 Seiten von Sabine von Schorlemers Opus Magnum Kulturgutzerstörung in Krisenländern als Herausforderung für die Vereinten Nationen Seite für Seite gelesen habe; die Serviceseiten sollen schließlich nur einen Überblick über neue Titel zum Thema bieten.

Seite für Seite gelesen habe ich wie die Mehrzahl der anderen vorgestellten Titel den Katalog zur Ausstellung Schloss.Stadt.Berlin. Schon die Ausstellung im Ephraim-Palais, die sehr empfohlen sei, hat gezeigt, wie das Schloss erst nach und nach vom Rand der Stadt in deren Zentrum rückte – und selbst die Stadt wurde. Und auch wenn ich – wenn überhaupt eine Schlossrekonstruktion – das Renaissanceschloss dem Barockriesen vorgezogen hätte, hat mir bislang keine Publikation die Bedeutung des Gebäudes so plausibel vor Augen geführt wie diese.

Die Randthemen eines jeden Schwerpunktes aber sind die schønsten. Leben im Denkmal zeigt anhand von 80 Denkmälern , wo sich Denkmalpflege und Rekonstruktion auf der anderen Seite der Extreme wiedertreffen: Denkmal wie Rekonstruktion leben vom Leben in ihrem Innern. Ein unbewohntes Haus, eine ungenutzte Kirche, eine leer stehende Brauerei ließen eine Stadt zum Museum werden. Das hat die Rekonstruktion dem Denkmal voraus: Sie wird idealiter von Anfang an mit Leben gefüllt. Wie Berliner Denkmäler heute genutzt werden, wie manche verrotten, weil sie derzeit keine Nutzung finden, erzählt Dietrich Worbs mit Fotos von Wolfgang Reuss. Man liest sich fest und legt das Werk erst aus der Hand, wenn man durch alle Gebäude durch ist. Darunter so wunderbare Orte wie die Buchhandlung im Haus Hardenberg (erst Kiepert, dann J. F. Lehmanns, dann gar nichts mehr), die Villa Wuttke in Frohnau und die Wohnung des Stalinallee-Architekten Richard Paulinck in derselben. Für mich war die größte Entdeckung eine in der Nachbarschaft: Schon immer wusste ich, dass das Haus auf dem Innenhof der Potsdamer Straße 81, die Nr. 81C, etwas Besonderes war, aber ich kam bislang nicht hinein. Hinweistafeln fehlen. Jetzt weiß ich: Hier, im 1873/74 eigens für ihn gebauten Haus, malte Anton von Werner, Präsident der Akademie der Künste und des Berliner Künstlervereins, nicht gerade als besonders fortschrittlich bekannt, die Wände voll. Wie es drinnen aussieht, sehe ich zum ersten Mal in diesem Buch – in dem jeder seine eigenen Entdeckungen machen wird.

Wolfgang Reuss | Dietrich Worbs: Leben im Denkmal. Gebr. Mann Verlag, Berlin 2016. 186 Seiten, 29 Euro.

Paul Spies | Peter Schwirkmann | Dominik Bartmann: Schloss.Stadt.Berlin. Die Residenz rückt in die Mitte (1650-1800). Holy Verlag, Berlin 2016. 223 Seiten, 29,90 Euro.

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