Skip to content

Kurzkritik Böszörményi: In den Furchen des Lichts

von broemmling am 3. Januar 2017

Ausgelesen! Jetzt ein Roman zum Thema Flüchtlinge? Lesen wir nicht schon genug in den Medien über Obergrenzen, Durchgangslager, Asylanträge, Gewalttaten, Familienzusammenführung, Ängste, Hoffnungen, Flüchtlingsströme? Wir lesen genug, und genau darum sei der Roman jedem ans Herz gelegt, der sich jenseits der Tagespolitik – wie auch immer er konkret dazu stehen mag – für wirkliche Literatur begeistert. Der Mitteldeutsche Verlag hat Zoltán Böszörményis Roman In den Furchen des Lichts völlig zu Recht in seine Bibliothek der Entdeckungen aufgenommen. Dieser Roman ist eine Entdeckung, dieser Autor ist bislang viel zu unbekannt im deutschen Sprachraum. Er gehört zu den vielen ungarischen Muttersprachlern, deren Heimat nicht Ungarn ist. Ungarn hat, wie erst kürzlich wieder in der Literaturzeitschrift die horen zu lesen war, 1918 zwei Drittel seines Staatsgebietes verloren. Böszörményi ist in Rumänien geboren und aufgewachsen und gerät dort mit seinen ersten Lyrikbänden in den Fokus der Securitate. Über Österreich wandert er in den 1980er Jahren nach Kanada aus. 2011 schreibt er seinen Flüchlingsroman Regál, der fünf Jahre später unter dem Titel In den Furchen des Lichts erstmals auf Deutsch erscheint. Es ist ein Roman, der sprachlos macht: Tamás ist Flüchtling und berichtet als Ich-Erzähler von seiner gesamten Zeit im Durchgangslager. Kleines Glück, große Hoffnung, kleine Enttäuschung, großer Betrug und dann wieder in anderen Dimensionen in wechselnder Reihenfolge, Tamás schreibt über seine Erlebnisse mit Freunden und Feinden innerhalb und außerhalb des Lagers, bei den Behörden und der Polizei, mit Schleusern, Arbeitgebern und flüchtigen Gefährtinnen. Von der Kontaktaufnahme zur Familie, von Gesundheitsuntersuchungen, Bierbesorgungen, physischer und psychischer Pein. Aber es ist durchweg kein hoffnungsloser, trostloser Bericht. Und wer das Buch zum Schluss aus der Hand legt, wird vielleicht zum ersten Mal ein Gefühl dafür haben, was es heißt, ein Flüchtling oder Geflüchteter zu sein. Unbedingte Leseempfehlung!

Zoltán Böszörményi: In den Furchen des Lichts. Roman. Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke (= Bibliothek der Entdeckungen). Mitteldeutscher Verlag, Halle 2016. 240 Seiten, 24,95 Euro.

Von → Allgemein