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Kurzkritik John Williams: Augustus

von broemmling am 23. Dezember 2016

Ausgelesen! John Williams‘ Briefroman Augustus ist eine späte Entdeckung. Schon viel ist über Kaiser Augustus und die lange Friedenszeit geschrieben worden, die seine Herrschaft für das römische Volk bedeutete. Fasziniert von der Antike schauen wir Monumentalfilme, lesen Historienschinken und besuchen Themenparks zu Römern, Griechen und Germanen. Wie das Leben im alten Rom tatsächlich verlief, vermögen aber nur die wenigsten Werke zu vermitteln. John Williams‘ Augustus gehört dazu. Der amerikanische Autor, gestorben 1994, schrieb seinen Roman bereits Anfang der 1970er Jahre. Dass er jetzt endlich auch in deutscher Sprache vorliegt, ist das Verdienst des Deutschen Taschenbuch Verlages. Der Autor nähert sich der Person Octavianus Augustus multiperspektiv: Briefe, Tagebücher, Gesetze, Erinnerungen, Verlautbarungen hat John Williams erfunden, um aus vielen kleinen Steinen ein Mosaik entstehen zu lassen, das uns die Handlungen des Kaisers, die res gestae, wenn man sie so nennen will, plausibel erklärt und uns einen Blick ins Innere der Macht vorspiegelt. Alles ist Fiktion und doch auch wieder nicht: Wie schwul Gaius Cilnius Maecenas nun wirklich war, mit wie vielen Männern Julia, des Kaisers Tochter, nun tatsächlich geschlafen hat und ob sich Gespräche und Gelage bis in alle Einzelheiten wie beschrieben abspielten, bleibt der Phantasie des Lesers überlassen. Bei allem aber bleibt John Williams glaubwürdig. Ein wunderbarer Briefroman über Freundschaft, Liebe, Intrige und besonnene Politik. Und ein zusätzlicher Genuss für alle, die lange genug Latein gelernt haben, dass sie Caesar, Livius und Ovid im Original gelesen haben: John Williams schreibt, als seien alle Texte frisch aus dem Lateinischen ins Amerikanische (und weiter ins Deutsche) übersetzt. Dringende Leseempfehlung.

John Williams: Augustus. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Bernhard Robben und mit einem Nachwort von Daniel Mendelssohn, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2016. 474 Seiten, 24 Euro.

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