Kurzkritik Bov Bjerg: „Die Modernisierung meiner Mutter“ und „Auerhaus“
Ausgelesen! Auerhaus, zu Recht hochgelobt im Literarischen Quartett, wirkt noch intensiver nach, wenn man auch Bov Bjergs Geschichten und Fragmente gelesen hat, die unter dem Titel Die Modernisierung meiner Mutter bei Blumenbar herausgekommen sind (die Titelgeschichte gibt es gleich in zwei Teilen). Schon am ersten Satz der ersten Geschichte wird klar, was den Autor von einigen zu Unrecht gepriesenen Autoren unterscheidet. Der Anfangssatz von Schinkennudeln hat jedenfalls das Zeug dazu, mein neuer schønster erster Satz zu werden (ich hatte beim damaligen Wettbewerb Der schønste erste Satz immerhin „Ilsebill salzte nach“ eingeschickt – und obwohl der Satz schließlich auch gewann, nicht selbst gewonnen; vermutlich war meine Begründung zu schlicht). Bjergs Geschichte beginnt: „Schinkennudeln waren immer mein Lieblingsessen, aber einmal habe ich davon gekotzt.“ Eine Castorf- oder Neuenfels-Inszenierung wird nicht deswegen gut, weil jemand auf die Bühne kotzt – und Bjergs Stil ist auch nicht gut, weil er „kotzen“ schreibt. Aber wo andere Verwaltungsdeutsch schreiben und etwas etwa „vollumfänglich“ tun, geht dem Autor hier alles leicht von der Hand. Dass mit Zwei Minuten Revolution und Howyadoin zwei für mich sperrige Geschichten unter den vielen guten sind, tut der Leichtigkeit keinen Abbruch. Bjerg will nicht gefallen, nicht um jeden Preis klug klingen, nicht um jeden Preis lustig sein. So viel Originalität erfrischt – und verführt; denn jenen, der sich bei Auerhaus in die gute Zeit der Jugend zurücklehnt und zurückverliebt, holt das traurige Ende jäh in die Gegenwart zurück – und der Kloß im Hals des Lesers beim Zuschlagen des Romans ist echt.
Bov Bjerg: Auerhaus. Roman. Blumenbar, Berlin 2015. 236 Seiten, 18 Euro.
Bov Bjerg Die Modernisierung meiner Mutter. Geschichten. Blumenbar, Berlin 2016. 151 Seiten, 18 Euro.