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Kurzkritik Willem Frederik Hermans: „Unter Professoren“

von broemmling am 18. August 2016

Ausgelesen! Es ist kaum zu glauben: ein Roman aus dem Jahr 1975, der 40 Jahre später ins Deutsche übersetzt nichts, aber auch gar nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Die Handlung ist fein, aber gar nicht das Wichtigste: Professor Dingelam von der Universität Groningen erhält den Nobelpreis für Chemie. Der Rest sind  Missgunst unter Kollegen, Intrigen, heimliche Begierden und Marcuse und Marx folgende Studenten. Ob ein schwierig zu domestizierender Hahn, ob ein Ausflug von Professoren mit Ehefrauen in einen Sexklub, ob die Besetzung von Dingelams Büro, gleichviel: Dieser Roman lässt einen optimistisch in die Zukunft schauen. Warum? Alle klagen über die Verrohung der Sittten, über Shitstorms in Social-Media-Zeiten. Früher war alles besser? In „Unter Professoren“ wird keine einzige Email geschrieben, keine Nachricht geteilt, kein Tweet retweeted, wie auch: 1975. Aber Neid, Missgunst, Scheinheiligkeit und Oberflächlichkeit können unter Kollegen heute nicht schlimmer und böser sein als damals. Niederlande und Flandern sind Ehrengast 2016 auf der Frankfurter Buchmesse. Es gibt keine unterhaltsamere und würdigere Vorbereitung darauf als Willem Frederik Hermans, übersetzt von Helga von Beuningen und Barbara Heller.

Willem Frederik Hermans: „Unter Professoren“. Aus dem Niederländischen von Helga von Beuningen und Barbara Heller. Aufbau Verlag, Berlin 2016. 512 Seiten, 22,95 Euro.

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