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Kurzkritik Joachim Winkelmann: „Eduard F. Pulvermann“

von broemmling am 10. August 2016

Ausgelesen! Pulvermanns Grab kennen selbst jene, die dem Pferdesport nicht viel abgewinnen können. Aber wer war der Namensgeber dieses Hindernisses? Es ist das Verdienst des Hamburger Arztes Joachim Winkelmann, Quellen zur Lebensgeschichte Eduard F. Pulvermanns gesammelt und gesichtet zu haben. Daraus ist eine Biographie entstanden, die einen international tätigen Kaufmann und Gründer des Deutschen Springderbys vorstellt, der 1882 in Hamburg geboren wurde und auf perfide Weise in die Mühlen der NS-Justiz geriet. Ein einziger Satz in einem privaten Brief, den Pulvermann 1939 aus Oslo nach New York schreibt, wird zum Aufhänger eines grotesken Heimtückeverfahrens: „Das Essen bei uns ist furchtbar.“ Pulvermann meinte nicht das Essen in Oslo – und nach der Invasion deutscher Truppen in Norwegen am 9. April 1940 wird in einem Bankschließfach in der norwegischen Hauptstadt eine Kopie des Briefes gefunden. Der Autor erzählt diese und andere Begebenheiten mit Einfühlungsvermögen, aber auch mit dem nötigen Abstand. Besonders hervorzuheben ist sein kritischer Umgang mit unkritischen Darstellungen wie etwa der von Nele Maya Fahnenbruck über die Rolle des Pferdesportes im Nationalsozialismus. Hier scheinen wenn nicht LTI, Lingua Tertii Imperii, so doch Wert- und Urteilsskala der Nazis unreflektiert übernommen, wenn vom „jüdischen Kaufmann“ Pulvermann die Rede ist. Eduard F. Pulvermann kam als Kind protestantisch getaufter Christen zu Welt. Das ändert wenig an der Absurdität der Behandlung Pulvermanns, der sich nach dem Heimtückeprozess noch einem Prozess wegen Erschleichung einer Devisengenehmigung ausgesetzt sah und bis zu seinem Tod 1944 nicht mehr die Freiheit zurückerlangen sollte; aber den schmalen Grat, auf dem auch Berufshistoriker hier bei ihren Formulierungen wandeln müssen, bewältigt Winkelmann überzeugend. Pulvermanns spannendes Leben verdient öffentliche Aufmerksamkeit. Solche verhältnismäßig unbekannten Hamburger würdigt leider eine Reihe wie die auf dem Foto abgebildete Hamburger Köpfe nicht. Auch Max Emden ist so ein Fall. Der Kaufhauskönig und Mitstifter der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung wird demnächst in einer Biographie gewürdigt, die voraussichtlich Ende des Jahres bei Hamburg University Press erscheinen wird. Winkelmanns Buch über Eduard Pulvermann kann direkt bei Books on Demand bestellt werden.

Joachim Winkelmann: Eduard F. Pulvermann 1882-1944. Geschichte eines Hamburger Kaufmanns und Reiters. Hamburg, zweite, gründlich überarbeitete und erweiterte Auflage Norderstedt 2016. 178 Seiten, 19,95 Euro.

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