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Herr und Hund, Stifter und Stiftung: Über Ähnlichkeiten und Zivilcourage

von broemmling am 17. November 2015

[Hinweis: Bei dem Text handelt es sich um eine Kolumne, die regelmäßig in den Nachlieferungen des Loseblattwerkes „StiftungsManager“ erscheint. Im Blog wird ab 2015 die Kolumne veröffentlicht, sobald eine Nachlieferung die jeweils nächste, neue Kolumne gedruckt hat. So bleibt der aktuellste Text den Abonnenten des Verlages Dashöfer vorbehalten, und der nächstjüngste Text lädt hier gleichzeitig dazu ein, selbst Abonnent zu werden. Ihr Ansprechpartner im Verlag ist Mark Jacobs. Die nachstehende Kolumne erschien in der Nachlieferung 43 im August 2015.]

Ein Vierteljahrhundert ist Deutschland nun schon wieder einig Stifterland. Wir schauen mal darüber hinweg (auch wenn das einem Kolumnisten wirklich schwerfällt), dass es erst einige Jahre gedauert hatte, bis die Stiftungen merkten, dass die Mauer gefallen war und man vielleicht auch etwas für die Stiftungsbrüder und Stiftungsschwestern erst in der Noch-DDR, dann in Neufünfland tun könnte. Als man dann endlich wach geworden war, war es für diverse Altstiftungen, die der Restitution harrten, schon zu spät. Aber ein paar ganz große Dinge bekam man dann doch auf die Reihe, und jeder kann 25 Jahre nach der Wiedervereinigung von Ost und West auf gelungene Projekte (an-)stoßen, die es ohne die Stiftungen heute nicht oder nicht mehr geben würde. Die restaurierten Orgeln in Mecklenburg-Vorpommern (ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius), die Bürgerstiftung Dresden (Körber-Stiftung), die Franckeschen Stiftungen zu Halle (in Halle halfen alle), die Anna Amalia Bibliothek (Vodafone Stiftung) und die Georgenkirche in Wismar (Deutsche Stiftung Denkmalschutz). Man macht sich sicher keine Freunde (zumindest nicht unter denen, die Glossen nur flüchtig lesen), wenn man darauf hinweist, was alles nicht mehr da ist – trotz oder gerade wegen des Einsatzes aus dem Westen. Der Palast der Republik mit der modernsten Bühnentechnik der Welt – selbst zu Wendezeiten war das nicht zu verachten –; fragt man ehemalige DDR-Bürger, war das tatsächlich ihr Palast. Da half keine Stiftung. Im Tresor kann man nicht mehr tanzen, im Gastmahl des Meeres nicht mehr speisen, Dresden hat einen UNESCO-Welterbetitel verloren, und die Kreidefelsen auf Rügen rutschen auch einer nach dem anderen ins Meer. Gegen Investoren, Dummheit und Naturgewalten kämpfen auch Stiftungen vergebens.

Doch wiegen wir uns nicht in Sicherheit oder seien wir nicht enttäuscht: Wer in den letzten 25 Jahren keine Gelegenheit hatte, etwas kaputtzumachen, kann dies gerne noch nachholen. So dürfte sich eine Sammelschussanlage, die die Bundeswehr ab 2017 nördlich von Potsdam einrichten will, als erstes Opfer ein teures Stiftungsprojekt aussuchen. „Zehn Jahre Naturschutzarbeit und 13 Millionen Euro Spendengelder“ würden jedenfalls vernichtet, wenn es tatsächlich zum Bau der Sammelschussanlage kommt, klagt die Heinz Sielmann Stiftung. Hoffentlich klagt sie auch richtig. Es gibt Gerichte.

Gerüchte gibt es auch. Es hätte alles so schön sein können. „München leuchtete“, so beginnt Thomas Mann seine Erzählung Gladius Dei. Jetzt blitzt es höchstens hin und wieder auf – in den Stiftungsschlagzeilen. Die Stiftungen selbst, die Stifter zumal, können meist nichts dafür, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende und der kaufmännische Geschäftsführer der angehängten GmbH gemeinsame Sache machen. Die GmbH ist gemeinnützig und die Rede ist in der Süddeutschen Zeitung vom 13. Juni 2015 immerhin von einem Schaden in dreistelliger Millionenhöhe. Die finden sich sicher wieder an: Schließlich ist der Heilige Augustinus der Schutzpatron auch derer, die etwas verloren oder verbummelt haben. Aufrichtig und anständig zu arbeiten, ist immer eine gute Alternative zum veruntreuen und verbummeln. „Schwere Arbeit hat noch niemandem geschadet. – Gewiss, aber Nichtstun verursacht die wenigsten Unfälle.“ Wieder so ein Spruch aus der Trierer Spruchkartensammlung. Das Stiftungswesen lehrt einen, dass auch das apokryphe Buch der Trierer Sprüche Unrecht haben kann. Schließlich kann man Fördergelder nur ausschütten, wenn man sie zuvor generiert. Doch wo Immobilien nicht vermietet sind, kommt keine Miete rein. Auch hier hatte die Süddeutsche Zeitung berichtet, zum ersten Mal sogar im November 2013. Kaum ist der Münchner Stiftungsfrühling vorbei, kommt offenbar der Herbst. Das erinnert doch ein bisschen an den Prager Frühling. Woran denken Sie, wenn Sie „Prager Frühling“ hören? An 1968, genau. Der Prager Frühling ist aber auch, ich weiß nicht genau, wer da so minderfeinfühlig in der Prager Stadtverwaltung war, ein jährliches Festival im Mai. Ich habe dort selbst mal mit einem Göttinger Chor die Lobgesang-Sinfonie gesungen – und kann nun stolz erzählen, dass ich, Jahrgang 1969, am Prager Frühling teilgenommen hätte. Nicht überall, wo Frühling draufsteht, ist auch Frühling drin.

Manchmal muss ein Stiftung Fördergelder auch zurückgeben, in einem Fall waren es 1,8 Millionen Euro, die der Bund zurückforderte. Eine andere Stiftung lädt eine rechtskonservative AfD-Politikerin in den Landtag ein. So weit herrscht noch Meinungsfreiheit in Deutschland, und die Stiftungen haben diese empfindliche Pflanze geschützt, wo immer es ging. Schutz der Pflanzen, Schutz der Tiere, Schutz der Vielfalt. Aber auch ein Tierschützer würde einen Elefanten nicht ohne Not über ein Feld schicken, wo gerade seltene Gewächse keimen.

Das alles hat München nicht verdient. Die meisten Stiftungen arbeiten höchst ehrenvoll und sind oft sogar ehrenamtlich geführt. Und Skandale gibt es schließlich auch woanders. In Köln und Berlin zum Beispiel besonders dreist die BWF-Stiftung (vom Bund Deutscher Treuhandstiftungen e. V.). Da überrascht die Berliner Stiftung damit, dass sie gar keine Rechtspersönlichkeit hat; eine unselbstständige Stiftung, sieh mal an. Vielleicht ist das endlich mal ein Anlass zur Offenlegungspflicht der Finanzbehörden über die gemeinnützigen Institutionen, die in der jeweiligen Behörde geführt wird. Oder ein Treuhandregister. Da hätte man zumindest leicht sehen können, ob die Stiftung gemeinnützig sein und wer Treuhänder, wer Stifter sei. Zum Skandal sei jetzt nur kurz Rechtsanwalt Nikolaus Sochurek zitiert, der davon ausgeht, dass die eigentlich Verantwortlichen für den BWF-Skandal auf der Management-Ebene zu finden seien, aber dann muss auch Schluss sein mit dem Finger-in-die-Wunden-Legen … Sochurek arbeitet in München. Ein guter Abschluss also.

Während hierzulande manch einer gemeinnützigen Umweltstiftung das Leben schwer gemacht wird, nehmen andernorts Natur- und Tierschutzstiftungen die Arbeit auf. Wir sprechen nicht von der Nature und Wildlife-Foundation in Vaduz, die wohl unter anderem einen pensionierten Oberfinanzpräsidenten in Deutschland gefördert hat – welches wilde Leben da auch immer geschützt werden sollte. Ich denke da eher an eine wirklich gemeinnützige Stiftung. Prinz Charles hat jetzt eine solche Stiftung in Transsylvanien errichtet. Lesen Sie es ruhig noch einmal laut und spitzen Sie die Ohren. Richtig gehört! Wenn es auch nicht in erster Linie um den Schutz von Vampiren geht – um den Schutz von Fledermäusen geht es allemal. Man hat das ja manchmal mit den Hunden und ihren Haltern: Sind sie lange genug zusammen, meint man eine gewisse Ähnlichkeit zu erkennen. Vielleicht gilt diese Ähnlichkeit auch für Stifter und ihren Stiftungszweck? Die Fledermäuse mit ihren riesigen Ohren jedenfalls – das kann kein Zufall sein. Vielleicht lassen sich so auch Zustifter leichter finden.

Zustifter müssen allerorten aber erst noch ermuntert sein, auf eine eigene Stiftung zu verzichten. Die meisten reizt die eigene Stiftung zu sehr. So verwundert es nicht, dass die Familie von Tugce Albayrak eine neue Stiftung errichten will – für Zivilcourage, vor allem aber zur Erinnerung an Tugce. Die Stiftung soll jedes Jahr einen Preis für Zivilcourage vergeben. Dem Verein zur Sammlung von Stiftungskapital hat das Finanzamt bereits die Gemeinnützigkeit bescheinigt. Vorläufig für drei Jahre, wie wir wissen. In den Medien steht das natürlich nicht. Die Dominik-Brunner-Stiftung hat auf den Fall Tugce hingewiesen. Sie erinnern sich? Dominik Brunner wurde auch seine eigene Zivilcourage zum Verhängnis, als er in München-Solln bei einem Streit dazwischenging. München ist jetzt aber wirklich nur Zufall, nur der bekannteste. Auch die Dominik-Brunner-Stiftung vergibt Auszeichnungen für Zivilcourage. Und einen Tugce-Albayrak-Preis soll es nun auch geben. Dass mehr Zivilcourage nötig ist, ist keine Frage. Es sollte zur Selbstverständlichkeit werden. Aber muss es eine eigene Stiftung sein? Eigentlich hätte man doch auch der jeweiligen Bürgerstiftung zustiften können – für einen Zivilcourage-Preis. Oder bestehende Vereine unterstützen. Vereine und Stiftungen, die sich für Zivilcourage einsetzen, die im Netz, an Schulen, auf der Straße Aufklärungsarbeit betreiben und Menschen einladen, sich zu engagieren, gibt es schon. „I am Jonny“, gegründet von der Schwester des 20-Jährigen, der 2012 am Berliner Alexanderplatz totgeprügelt wurde. Und die Amadeu Antonio Stiftung, die an den 1990 von Neonazis ermordeten Amadeu Antonio Kiowa erinnert, ist groß und schlagkräftig. Größer und schlagkräftiger kann sie ruhig werden. Manchmal machen auch die öffentlichen Stellen etwas richtig, muss man zugeben, wenn man auf die Seite von „aktion-tu-was.de“ geht – einer Initiative der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes geht.

Aber manche Stiftungsgründung ist unabhängig von der Größe zu begrüßen. Denn sie mag ganz außergewöhnliche Geschenke und Zuwendungen bekommen, die andere vielleicht nicht erhalten. Der durchaus förderungswürdigen Bertha-von-Suttner-Stiftung jedenfalls, die sich im Rahmen ihres Engagements für Frieden auch für mehr Zivilcourage engagiert, schenkten entweder der liebe Gott oder die griechische Friedensgöttin Irene einen Tag mehr im Jahr. Über Anträge, die bis 31.7. vorliegen, so verspricht die Stiftung auf ihrer Homepage, gibt es eine „Entscheidung bis 31.9.“ Vielleicht machen wir lieber den 31.9. zum „Tag der Stiftungen“. Das ist – natürlich nur rein rechnerisch – der 1. Oktober, den erst die Bürgerstiftungen, dann alle Stiftungen tatsächlich zu ihrem Tag erklärt haben. Erich Kästner, schon früh in seinen Romanen Zivilcourage beschreibend, hatte die Idee schon mal so ähnlich. Der veröffentlichte sein Kinderbuch Der 35. Mai im Jahr 1931. Und was in Paul Maars Eine Woche voller Stiftungstage passiert, erfahren Sie in der nächsten Kolumne.

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