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Stiftungen mit Herz, aber ohne Kartell

von broemmling am 25. September 2015

[Hinweis: Bei dem Text handelt es sich um eine Kolumne, die regelmäßig in den Nachlieferungen des Loseblattwerkes „StiftungsManager“ erscheint. Im Blog wird ab 2015 die Kolumne veröffentlicht, sobald eine Nachlieferung die jeweils nächste, neue Kolumne gedruckt hat. So bleibt der aktuellste Text den Abonnenten des Verlages Dashöfer vorbehalten, und der nächstjüngste Text lädt hier gleichzeitig dazu ein, selbst Abonnent zu werden. Ihr Ansprechpartner im Verlag ist Mark Jacobs. Die nachstehende Kolumne erschien in der Nachlieferung 42 im Mai 2015.]

Es soll keine Essaysammlung werden, was Sie hier Nachlieferung auf Nachlieferung lesen können. Der letzte Text war der Frage gewidmet, was Satire im Stiftungswesen darf. Mühelos ließe sich heute darüber sinnieren, ob Fluch und Fäkal und Foundation zusammenpassen. Sie können beruhigt weiterlesen, auch in diesem Text wird es wie stets gesittet zugehen. Kein Fluch, nirgends. Auch wenn man verleitet war, bei der jüngsten großen Stiftungsgründung die Redensart vom Teufel und dem größten Haufen zu zitieren.

Es ist erst ein Jahrzehnt her, dass ein einzelner Stifter den Stiftungsstatistikern und Datensammlern die Nutzlosigkeit ihres Tuns vor Augen hielt. Genau genommen war es die Witwe des Stifters. Die Errichtung einer Stiftung war testamentarischer Wille von Joachim Herz, dem Tchibo-Mann. Zu Lebzeiten der neuen Generation von Stiftungsmanagern trat zum ersten Mal eine natürliche Person als Stifter eines zehnstelligen Euro-Vermögens auf den Plan. Die Nutzlosigkeit des Datensammelns der Statistiker rührte weniger vom Namen als von der Verhältnismäßigkeit her: Was bringen Angaben zur Höhe des im Vorjahr gestifteten Vermögens, wenn die Zahlen jegliche Aussagekraft verlieren, weil ein einzelner Stifter in seine neue Stiftung etwa so viel Stiftungsvermögen einbringt wie alle anderen in alle übrigen neuen Stiftungen zusammen?

Ein anderes, in der Stiftungsszene bislang weitgehend unbekanntes Problem hätte man bei der Errichtung der Joachim Herz Stiftung nur bei äußerster Spitzfindigkeit ausmachen können. Nach der 1979 gegründeten Deutschen Herzstiftung e. V. in Frankfurt am Main und der Heinrich Hertz-Stiftung aus dem Jahr 1961 mit Sitz in Düsseldorf nahm die Max und Ingeburg Herz Stiftung bereits 1979 in Hamburg ihre Arbeit auf. Es folgten die Herz HD Stiftung in Heidelberg von 1998, die Münchner Herz für Herz – Stiftung für Leben! von 2003 und die Stiftung Herz und Seele von 2005 in Uelzen. Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (Berlin kleckerte dann 2013 mit der Stiftung Herz Jesu Berlin-Charlottenburg hinterher) hatten also alle ihre ganz besondere Herz-Stiftung, als im Jahr 2008 noch eine Herz-Stiftung in Hamburg dazukam. Das, dachte man, sollte eigentlich kein Problem sein. Ein Stifterherz hatte in Hamburg aufgehört zu schlagen, eine Herzstiftung nahm in Hamburg die Arbeit auf.

Milliardenschwer war die Joachim Herz Stiftung, die da mit Umsicht und Bedacht zunächst ein paar Jahre sondierte, wie sie sich am besten positionieren könnte, bevor sie nennenswerte Förderbeträge ausschüttete. Sie wollte dem Stifterwillen so sinnvoll wie möglich erfüllen. Ein großer Teil der Fördergelder wird Menschen zu Gute kommen, die in Hamburg leben, wie sich auch an den ersten Förderungen zeigt: Beim Projekt heimspiel. Für Bildung engagiert sich die Joachim Herz Stiftung zusammen mit der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. in den Hamburger Quartieren Wandsbek Hohenhorst und Harburg Neuwiedenthal/Hausbruch für bessere Bildungschancen. PIER – Partnership for Innovation, Education and Research soll als strategische Partnerschaft zwischen der Uni Hamburg und DESY die Forschung stärken, und die Beteiligung der Joachim Herz Stiftung am MINTforum Hamburg fördert die Begeisterung Hamburger Schüler für die Naturwissenschaften und Technik.

Das sind viele Kooperationen, wie es guter moderner Brauch ist unter Stiftungen, und gegen keines der Projekte lässt sich Substanzielles als Kritik anführen. Schließlich haben vier der in der Stiftungsszene bekanntesten Stiftungen ebenfalls in Hamburg ihren Sitz: Die Körber-Stiftung, die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, die schon erwähnte Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., die Hermann Reemtsma Stiftung. Und eine große Zahl der Projekte aller dieser Stiftungen sind auf Hamburg beschränkt. Die milliardenschwere Joachim Herz Stiftung hält es kaum anders. Und jetzt kommt Michael Otto. Eine geradlinige Haltung zeigte sich mehrmals bei der PR-Arbeit des Otto Konzerns, Haltung bewies stets auch Werner Otto, der Vater des Stifters einer der größten Stiftungen überhaupt Viele Milliarden wert ist die neue Stiftung, in die Michael Otto nun seine Anteile an der Unternehmensgruppe gegeben wird. Dass der Stiftungs- und Firmensitz unveränderbar auf Ewigkeit Hamburg sein wird, zeugt vom Dank des Stifters an seine Heimatstadt. Kinder und Jugendliche stehen im Fokus der Stiftungsarbeit. Es steht nur zu hoffen, dass ein guter Teil jener dreistelligen Millionenbeträge, auf die man die Stiftungserträge in guten Jahren schätzt, auch Kindern und Jugendlichen zu Gute kommt, deren Eltern es nicht vergönnt war, in Hamburg zu leben. Kein Stiftungsneid, der Hansestadt und ihren Bewohnern sei das Stiftungsglück herzlich gegönnt. Aber Stiftungskälte und Ausgrenzung eben auch nicht. Es wird spannend, wie es hier weitergehen wird und wie die Öffentlichkeit die neue Riesenstiftung annehmen und begleiten wird.

Doch ist nicht alle Mühe der Kommunikation auf allen Ebenen vergebens, wenn die Journaille wider besseren Wissens nach altem Muster strickt? Im April berichtete die Online-Ausgabe der, sagen wir mal, Allgemeinen Leib- und Magen-Tageszeitung des hehren Stiftungswesens über Stipendienstiftungen. Die Lektüre trieb einen aus dem Haus und ließ einen unabhängig vom Wetter freiwillig dem Osterspaziergang vom Vortag noch den Emmaus-Spaziergang hinzufügen. Den Beginn des Berichtes kann man noch als ungeschickt bezeichnen. Da wird der Idealkandidat eines Stipendiaten von Stiftungen quasi als Eier legende Wollmilchsau bezeichnet. Fast ein Ding der Unmöglichkeit, was die Stiftungen da alles fordern, will der Text glauben machen. Mal ganz abgesehen davon, dass es jetzt nicht gerade um ein Zeichen besonderer Vielseitigkeit handelt, wenn sich ein Architekturstudent auch für Mathematik interessiert – und abgesehen davon, dass keine Stiftung, wirklich keine, es als einen Pluspunkt bei der Bewertung zählt, wenn ein Bewerber „vormittags im Hörsaal sitzt“ und „fleißig mitschreibt, was der Professor vorträgt“: Ist es wirklich so undenkbar und weltfremd, dass ein junger Mensch aus Kursen und Klausuren „Bestnoten nach Hause trägt“ und dass dieselbe Person zwei Hobbys hat, von denen eines eine ehrenamtliche Tätigkeit darstellt?

Solche außergewöhnlichen Kreaturen reüssieren, das ist die gute, brandneue Nachricht des Berichtes, erfreulicherweise nur bei einem kleinen Häuflein Stipendiengeber. Nun handelt es sich bei dieser einen beschriebenen Gruppe Stiftungen nicht, wie der Artikel glauben machen will, um „die sogenannten zwölf Begabtenförderungswerke“. Wäre das Wort von den „zwölf Begabtenförderungswerken“ so geläufig, so eingängig ins Ohr und leicht von der Zunge gehend, hätte irgendein Lästerer längst FES, KAS & Co „das dreckige Dutzend“ getauft. Vermutlich sollte die Rede sein von den „zwölf so genannten Begabtenförderungswerken“. Aber das ist etwas anderes. Kunstfertig ist der Artikel allerdings dann doch. Obgleich er die übrigen Stipendienstiftungen von den Begabtenförderungswerken abgrenzt, gelingt es in bemerkenswerter Weise, beide Gruppen gleichermaßen schlecht zu machen. Stellen die Förderungswerke absurde, unerreichbare Streberanforderungen, freuen sich die anderen quasi auch über die Faulen und Dummen, die ansonsten auf das eingeschränkte Förderprofil passen: da müsse einer nur aus der ehemaligen Grafschaft Henneberg kommen und schon winke ihm ein Stipendium. „’Nur’ ist gut“, mag da mancher Henneberger denken. In der Tat vergessen wir manchmal, dass auch ein Geburtsort ein Schicksal sein kann wie man von Vornamen zuweilen sagt, sie seien eine Diagnose, Kevin etwa oder Mandy. Im kritisierten, wir können auch sagen verrissenen Artikel erhalten alle Stiftungen den Ruch des Skurrilen. Dass sich an diesem Artikel zum Schluss noch zeigt, auf welche Datengrundlage Journalisten ihre Berichte stützen, soll an anderer Stelle einmal bewiesen werden. Jede fünfte Stiftung wird ihr Geld nicht los? Das galt vielleicht mal 2003. Heute sieht es anders aus.

Nun kann man über so einen Artikel hinwegsehen und hinweggehen, in welchem Medium auch immer er erscheint. Aber gerade jene, die mit Stiftern zu tun hatten oder haben, die also gelernt haben, dass die Welt sich aus mehr zusammensetzt als aus Kennzahlen, Konten und Krediten, sollten ihre Fähigkeit nicht aufgeben, Misstöne zu vernehmen und zwischen den Zeilen zu lesen. Was weiterhin zählen sollte, ist nicht die Marktkonformität des Stifters, sondern sein Anliegen und sein Motiv. Bei manchen kann das gut zusammen gehen, bei Michael Otto etwa, und da sind wir wieder beim Ausgangspunkt unserer Frühlingskolumne angelangt.

Von → Allgemein