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Stiftungssatire: Stachel im Fleisch

von broemmling am 29. April 2015

[Hinweis: Bei dem Text handelt es sich um eine Kolumne, die regelmäßig in den Nachlieferungen des Loseblattwerkes „StiftungsManager“ erscheint. Im Blog wird ab 2015 die Kolumne veröffentlicht, sobald eine Nachlieferung die jeweils nächste, neue Kolumne gedruckt hat. So bleibt der aktuellste Text den Abonnenten des Verlages Dashöfer vorbehalten, und der nächstjüngste Text lädt hier gleichzeitig dazu ein, selbst Abonnent zu werden. Ihre Ansprechpartnerin im Verlag ist Alexandra Benn. Die nachstehende Kolumne erschien in der Nachlieferung 41 im Februar 2015.]

Was darf Stiftungssatire? Darf man sich überhaupt despektierlich über die verdienten Persönlichkeiten, die verdienenden Personen und die dienenden Persönchen äußern, die sich in der Welt der Stiftungen (und außerhalb natürlich auch) tummeln? Oder – je nach Alter und Würde auch: bewegen? Und wer jetzt kurz ins Strafgesetzbuch schauen will oder den einem am genehmsten scheinenden Kommentar zu den Grundrechten aufschlägt oder hofft, im v.Campenhausen/Richter, von Seifart gegründet, einen relevanten Hinweis zu finden, der wird enttäuscht: Kein Hinweis, ob und was Satire im Stiftungswesen darf. Die meiste Satire, selbst leichte Ironie wird gern im Keim erstickt. Oft genug aus vorauseilendem Gehorsam. Weil es dem Stifter sicher nicht gefallen wird. Weil jemand das vielleicht nicht versteht. Weil man selbst nicht darüber lachen kann. Ist doch die eigene Stiftung. Aber genau darum geht es: Wer über sich selbst nicht lachen kann, der hat eh keinen wirklichen Humor. Aber eine Kolumne ändert da nur wenig. Wir machen es heute anders und plaudern nicht, wir gehen besonnen ans Werk und werden überrascht von eine Familienbeziehung.

Man muss nur genau lesen und zuhören können. Dann erfährt man vieles, was man noch nicht wusste, übrigens auch vieles, was man nie wissen wollte. Manches schließlich, was man zu Recht beim besten Willen nicht gedacht hätte. Einer der Herausgeber des StiftungsManagers erfuhr zum Beispiel aus der Fußnote seines Beitrages für das Jahresheft 2015 zum Stiftungswesen, dass er Generalsekretär des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft sei. Bislang war er davon ausgegangen, dass der Generalsekretär den Namen eines großen Baumeisters trug. Aber vielleicht gab es ja früher auch einen großen Baumeister, der Vor- und Nachnamen des Herausgebers trug.

„Lobe dich selbst, wenn dich andere nicht loben!“, stand auf einer dieser großartigen Spruchkarten im Klosterladen am Trierer Matheiser Weiher (in Trier verbrachte der Kolumnist als Kind stets Teile der Schulferien). Da müssen viele Stiftungsvertreter vorbeigegangen sein (und auch der Kolumnist hat den Inhalt durchaus aufgenommen). Was so alles schön geredet und gelobt wird. Rhetorik hat es ja schon weit gebracht, aber alles geht auch nicht. Da ist also bei elf Aufsätzen in einer Sammlung schon ein Schwerpunkt gebildet, weil sich zwei Autoren zum selben Thema äußern? Da ist es ein neuer Rekord, wenn die Zahl der geförderten Projekte die des Vorjahres übersteigt, und sei es auch nur um ein Projekt mehr? Die Superlative in den Berichten über die eigenen Veranstaltungen sind oft ermüdender als ein selbstkritischer Bericht. Aber natürlich darf man auch über Erfolge froh sein und sie als solche benennen. Das gilt aber viel mehr noch für die Mitarbeiter der Stiftung als für die Projekte.

Lob erhalten die Mitarbeiter in vielen Stiftungen eigentlich viel zu selten. Und „das Nichtwahrnehmen von Anerkennung und Lob bei hohem beruflichem Engagement“ kann ein Burnout beschleunigen, lesen wir sinngemäß auf den Seiten des Klaus-Grawe-Instituts, eng verbunden mit der Stiftung gleichen Namens. Stiftungen kümmern sich also auch hier. Wenn das mal nicht ein – ernst gemeintes – Lob wert ist!

Dass die eigene Stiftung kein oder wenig öffentliches Lob erhält, mag den Stifter oder den Stiftungsmanager wurmen. Es ist erträglich, denn eine Stiftung arbeitet nicht auf Zeit (es sei denn, sie hat das Los, als Verbrauchsstiftung auf die Welt zu kommen, dann bleiben ihr nur wenige Jahre, sonst kommt sie nie in die Zeitung). Früher oder später wird auch den Medien auffallen, dass da direkt vor der Haustür der Lokalredaktion seit vielen Jahren eine Stiftung so erfolgreich war, dass sie ins „Land der Ideen“-Programm aufgenommen wurde. Dass es interessant sein könnte, über Stiftungen zu berichten, haben die Leitmedien und ihre Nacheiferer alle erst verstanden, als die Politiker gesagt haben: da entsteht etwas Interessantes, da müssen wir Anreize schaffen. Warum reagieren Altmedien eigentlich immer erst, wenn die Politik reagiert? Da hat es doch sein Gutes, dass wenigstens die Politik wenn nicht regiert, so wenigstens reagiert.

Die vielen Stiftungen haben ihren kleinen bescheidenen Beitrag daran, dass die Politik auf Trab bleibt. Als Unruhestifter, wie sie Herfried Münkler einmal genannt hat (das war 2003, als Fritz J. Raddatz‘ Autobiographie Unruhestifter erschien – wer hat da bei wem …?). Unlängst hat eine niedersächsische Stiftung einen hübschen Zusatztitel bekommen: Da wurde aus der SBK einfach die SBK STÖR. Die SBK war sich keiner störenden Handlung bewusst, als Unruhestifter darf man sich seit Münkler geschmeichelt fühlen, Störenfried will man aber nicht sein. War die SBK auch nicht. Das Kürzel stand für „Stiftung des öffentlichen Rechts“. Die Walter-Stöhrer-Stiftung mit Sitz in Flensburg stört auch nicht weiter: Als nicht rechtsfähige Stiftung fördert sie künstlerischen Nachwuchs und sorgt für einen angemessenen Umgang mit dem Werk des Namensgebers.

Über sprechende Namen kann nie genug geschrieben werden. Und wer passt hier besser als Trude Unruh mit der Stiftung, die sie 1996 gegründet hat und die erst seit 2013 nach der Stifterin benannt ist. Da war vorher noch von grauen Tieren die Rede. Aber inzwischen ahnt man, nein, man weiß: Das Leben der Senioren ist bunt (es muss ja nicht jeder wie Lotti Huber in einem Buch erklären, dass „die Zitrone noch viel Saft“ habe). Satt und bunt soll das Seniorenleben sein, und es wäre schön, wenn jeder auch schon vorher ein abwechslungsreiches, buntes Leben führen kann – in dem Grad, in dem es gesund ist, und so bunt nur, dass es den Nächsten nicht nachhaltig stört. Es sei denn, der Nächste ist ein Mensch mit Arg. Menschen, die sich freuen, wenn dem anderen Schlechtes widerfährt. Die Menschen, die anders wirken oder sogar anders sind als sie, grundsätzlich nicht über den Weg trauen.

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. So lautete ein Aphorismus von Friedrich Schiller, bis man ihn veralberte und vertonte und aus dem bösen Nachbarn die schöne Nachbarin machte, deren schöne Beine vor der eignen Haustür irgendwie nicht in den gewohnten Alltag passen wollen. Von Friedrich Schiller zu Roland Kaiser in einer halben Minute. Ist das schon die Folge des Bologna-Prozesses?

Heben wir das Niveau zum Schluss noch einmal und lesen Heinrich Heine. In seinem Werk „Disputation“, das den Untertitel „Eine poetische Karikatur“ trägt, lässt er im Spanien des 14. Jahrhunderts einen Mönch gegen einen Rabbi antreten. Sie kommen mit liturgischem Geschirr, mit Seelgeräten also, aus denen eine Traditionslinie des Stiftens entsprang. Wer den Disput gewinnt, darf den Besiegten taufen oder beschneiden – je nach Ausgang. Das Gedicht wurde in Österreich verboten, dann auch in Preußen, Bayern, Württemberg, wegen des „in sittlicher und religiöser Beziehung scandalösen Inhalts“. Doch der Schriftsteller und Germanist Bodo Heimann, der in diesem März 80 Jahre alt wird, hat es uns in einem Sammelband 2014 noch einmal nahegebracht. Und auf die Frage, was wir von Heine lernen können, sagt er schlicht: „Nicht den Humor verlieren, der Humor kann bissig sein, man kann seine Feinde der Lächerlichkeit preisgeben. Religiöse Fanatiker sind in der Regel humorlos. Und da Fanatismus mit Menschenverachtung und Gewalt korreliert ist, verdienen Fanatiker, die sich beleidigt fühlen, auch nicht unsere Rücksichtnahme oder gar Entschuldigung:“ So weit Bodo Heimann, der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung Kulturwerk Schlesien und Träger zahlreicher Preise kleiner Vereine bis hin zum Grand Prix Méditerranée der Accademia d’Europa. Für alle, die immer noch die Nase rümpfen: Satire hat also mit Humor zu tun.

Herfried Münkler erfand den Unruhestifter 2007. Vermutlich gab es das Konstrukt schon einmal früher, so ganz viel gehört nun auch nicht dazu. Die Berliner Zeitung nennt die Tester von der Stiftung Warentest schon 1995 Unruhestifter, aber das hatte noch keine gesellschaftspolitische Dimension. Erst 2007 war der Begriff so verstanden bewusst in der Welt. Im März 2008 nennt der Focus den Unternehmer Hans Lindner mit seinen zwei Stiftungen einen Unruhestifter. Eine der Lindner-Stiftungen wird verdächtigt, effektiver in der Region zu fördern als die Öffentliche Hand – und die Rede ist immerhin von der niederbayerischen Öffentlichen Hand. Unruhestifter, die Bezeichnung passt. Bernd Kauffmann erhält den Titel „Unruhestifter“ zum 70. am 30. Dezember 2014. Ich könnte noch weiter, aber die Botschaft müsste angekommen sein. Stiftungen wollen Unruhestifter sein, Stachel im Fleisch, unbequem, weil sie zum Nachdenken anregen. „Stachel im Fleisch“ nennt Peter Steinbach im Dezember 2014 etwa die Stiftung Topographie des Terrors, für die er als wissenschaftlicher Berater unterwegs ist.

Stachel im Fleisch, Unruhestifter, unbequem. Nichts anderes will Satire. Auch die leichte Ironie, die sich durch jede dieser Kolumnen zieht. Wo sie verletzt, nur um zu verletzen, oder nachtritt, ist Satire auch nicht besser als die Belachten selbst. Das wird es hier hoffentlich nie geben. Aber was die Funktion des Stachels im Fleisch, des Unruhestifters angeht, in diesem Bezug ist Satire die kleine, freche Schwester der Stiftung, die meist als erwachsene Dame daherkommt. Und wenn die kleine Schwester die große schonen würde, das käme bei den anderen aber gar nicht gut an. Das schließt zu keinem Zeitpunkt und zu keinem Alter für die Stiftung aus, den Humor zu behalten und im Zweifelsfall wegzuhören. Denn wie hieß eine zweite Lieblingskarte im Trierer Klosterladen doch gleich: „Kleine Bosheiten soll man überhören. Es ist christlich – und ärgert mehr.“

Von → Allgemein