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Krachen lassen (Kolumne aus dem StiftungsManager des Verlages Dashöfer)

von broemmling am 31. Januar 2015

[Hinweis: Bei dem Text handelt es sich um eine Kolumne, die regelmäßig in den Nachlieferungen des Loseblattwerkes „StiftungsManager“ erscheint. Im Blog wird ab 2015 die Kolumne veröffentlicht, sobald eine Nachlieferung die jeweils nächste, neue Kolumne gedruckt hat. So bleibt der aktuellste Text den Abonnenten des Verlages Dashöfer vorbehalten, und der nächstjüngste Text lädt hier gleichzeitig dazu ein, selbst Abonnent zu werden. Ihre Ansprechpartnerin im Verlag ist Alexandra Benn. Die nachstehende Kolumne erschien in der Nachlieferung 40 im November 2014.]

Die Robert Bosch Stiftung ist 50 geworden und hat es richtig krachen lassen. In der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom. Moment mal, war da nicht was mit Verbundenheit zum Ländle und Robert Bosch – das haben doch alle Stifter erst vor drei Jahren wieder gelernt, als sie zur Eröffnungsfeier des Stiftungstages den Diavortrag (Arbeitstitel: 150 Jahre Robert Bosch = 150 tolle Infos über die Stiftung) sehen wollen mussten. Was hat die Telekom in Berlin denn mit Robert Bosch in Stuttgart zu tun? Weil in Berlin mehr Aufmerksamkeit ist? Weil die Gäste lieber nach Berlin kommen? Weil die Berliner Repräsentanz der Telekom größer ist als das Berliner Büro der Stiftung in Mitte? Weil keiner ins große traditionsreiche Bosch-Haus in Berlin-Charlottenburg kommen würde? Mehr Sendechancen (oh, Öffentlichkeitsarbeit)? Das erinnert ein bisschen an die Betreute eines Kollegen, der eine Mitarbeiterin des Betreuers beim Auspacken nach dem Umzug helfen sollte. Bei deren Eintreffen hatte die Betreute ihre Kartons aber alle ins Nebenhaus bringen lassen – „weil ja da ein Fahrstuhl ist.“

Und jetzt mitten in die Jubiläumsfeierlichkeiten. Eine glückliche Hand bewies man bei der Auswahl einiger Podiumsgäste – frei nach dem Motto: 1 isch schön. 1plusch isch schöner. Mit Muhammad Yunus, dem Mann der Mikrokredite in Bangladesh, hatte bereits ein Friedensnobelpreisträger zugesagt. Kailash Sathyarti aber war zum Zeitpunkt der Einladung noch gar nicht als Friedensnobelpreisträger 2014 bekanntgegeben. Großes Glück! Die Drähte nicht nur der Telekom liefen heiß.

Das Stiftungsjubiläum also mit zwei Friedensnobelpreisträgern! Aber ist das wichtig? Wenn man sich überlegt, dass in Lindau jedes Jahr auf Initiative einer dieser Stiftungen, deren Namen so lang ist, dass er das Format dieser kleinen Kolumne sprengen würde, dass also in Lindau jedes Jahr Nobelpreisträger in zweistelliger Zahl zusammenkommen, ist das auch wieder nichts Besonderes. Die Lindauer Stiftung feiert jedes Jahr ein Jubiläum mit mehr als zwei Nobelpreisträgern. Der runde 64. Geburtstag der Stiftungsveranstaltung in diesem Jahr war der 13. Geburtstag der Stiftung selbst und verlief so erfolgreich, dass im nächsten Jahr zwischen 40 und 50 Nobelpreisträger erwartet werden. Das soll erstmal irgendeine Stiftung nachmachen…(also bis auf die Nobel-Stiftung vielleicht).

So ein Nobelpreis kann einen aber auch ganz schön nervös machen. Wenn man nicht der Geehrte ist. Wie sieht man dann daneben selbst aus, nur mit – wenn überhaupt – zwei Buchstaben versehen oder geehrt oder betitelt. Niemand weiß, wie es kam, aber zum ersten Mal fand sich plötzlich im Programm das ganze Organigramm der Stiftung hinter dem Namen einzelner Podiumsteilnehmer wieder. Interessant, für welche Bereiche einzelne Geschäftsführer zuständig sind. Orientierung in der Stiftungswelt? Es ist immer gut zu wissen, wer wobei genau Zustände bekommt.

Jubiläen sind schon ein schwieriges Unterfangen. Eine neue Krankheit ist im alten Braunschweiger Land aufgetaucht. Brage Bei der Wieden, der Leiter des Landesarchivs Wolfenbüttel, berichtet von einer ungekannten Jubiläumsverweigerung unter seinen Mitarbeitern. Natürlich nicht mit dieser Wortwahl. Die Niedersachsen kennen zwei Internetportale der Archivverwaltung, in denen sie sich über anstehende Jubiläen informieren können. Rechtzeitig können Redaktionen so vormerken, wann sie über die 50. Wiederkehr eines legendären Bankraubs berichten sollten. Da steht dann in der Ankündigung von 2037, dass es nun 900 Jahre her ist, dass Kaiser Lothar eingekocht wurde, damit man wenigstens seine Gebeine heil nach Königslutter bringen konnte. Und auf den 100. von Ministerpräsident i. R. Ernst Albrecht von Hannover (ohne Herzog) 2030 kann man sich über eines der Portale sicher auch vorbereiten. Als nun die Mitarbeiter (und Mitarbeiterinnen) der Landesarchive gebeten wurden, ein paar derlei hübsche Termine zu nennen, kam keine Antwort zurück; ganz offensichtlich waren die Angestellten (und Angestelltinnen) der Archive und Bibliotheken und die Mitglieder (und Mitgliederinnen) der Historikervereine ausgelaugt nach so viel Jubel, Trubel des Feierns müde und verweigerten sich nun jeder weiteren Zelebrierung (zu den hübschen Genderformen später eine Auflösung). 1914 (alle Franzosen ziehen gegen alle Deutschen zu Felde) war für alle hierzulande Anlass zum Gedenken. Für Braunschweig (und alle alten Preußen nicht minder) kam noch 1913 (alle Welfen heiraten alle Hohenzollern) hinzu; das hat Braunschweig alle Kraft gekostet. Es ist zumeist fraglich, warum man nur in Vierteljahrhunderten rechnet, warum 25 Jahre gefeiert werden, 50, 75, 100, aber nicht die richtig guten Zahlen, althergebrachte „Schnapszahlen“ ebenso wenig wie eigens auf das gefeierte Bauwerk, das hochzulebende Geburtstagskind. Das ist fürs Jubiläum der Stiftungen nicht anders. 55 Jahre Stiftung X könnte man feiern, 77 Jahre Stiftung Y. Tut man aber nicht. 50, 75, 100, anders scheint es nicht zu gehen. Immerhin hatte sich die VolkswagenStiftung 2002 mit der großen Feier zum 40. schon so weit aus dem Fenster gehängt, dass alle Folgestiftungen sich ebenfalls etwas einfallen lassen mussten zu ihrem 40 – ob sie wollten oder nicht. Die Bosch-Stiftung musste 2004 ran, die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius 2011. Aber inzwischen ist der Groll verflogen, denn 40 war auch nur eine Übung, eine kleine Vorbereitung für den 50. Die arme Körber-Stiftung musste 2009 ins kalte Wasser springen, denn Kurt A. Körber hat die Stiftung – quasi als frühreifer Stifter – schon 1959 errichtet. Ähnlich ging es der Thyssen-Stiftung, denn am 7. Juli 1959 gaben sich Totengedenken und Zukunftsgestaltung ein Stelldichein, drei Tage später gab es dann von NRW-Innenminister Dufhues den Segen für die gemeinsame Reise durchs Leben. Spannend zu sehen, ob diese Stiftungstradition, den 40. schon groß zu feiern, sozusagen als Generalprobe für den 50., fortgesetzt wird: 2016 wird Gerda Henkel 40, und man ist versucht, jede Aktivität schon im Voraus als Vorbereitung des Jubiläums zu deuten. Vielleicht gibt es den 40. Band aus der Historischen Bibliothek (da müssten aber einige Autoren schnell fertig werden)? Vielleicht ist es aber auch so, dass die Stiftung jedes Jahr so feine Arbeit macht, dass es eines großen Aktes überhaupt nicht mehr bedarf, sich zum 40. schon in den Mittelpunkt zu rücken, zum 50. dann wieder, zum 60. und immer so fort. Man hört schließlich in den seltensten Fällen mit 60 mit der Stiftungsarbeit auf. Ein schönes Vorhaben: sich selbst weniger feiern und die Projekte sprechen lassen.

So eine Studie wie die aktuell vorgestellte „Shape the Future“ der Robert Bosch Stiftung kann man dann trotzdem in Auftrag geben – wenn man unbedingt will. Die Mitarbeiter von Roland Berger haben für kleines Geld (kleiner Scherz, keine Ahnung) Experten und Stiftungsvertreter (da unterscheidet die Studie) rundum befragt. Zum Stiften an sich und zur Arbeit einzelner Stiftungen im Besonderen. Herausgekommen ist – wer hätte das gedacht? – ein Heft, das auf 92 Seiten alles noch einmal zusammenfasst, was wir wissen. Es war eben alles schon gesagt, nur noch nicht von jedem. Nichts gegen die Studie: Viele Menschen verinnerlichen nur das, worüber sie selbst geschrieben haben, daher sollten möglichst viele auch über Sinn und Wesen der Stiftungen schreiben. Und was die Studie da zusammenfasst, ist schließlich nicht falsch. Also vielleicht drücken wir da bei den acht Schlaglichtern mal alle acht Augen zu: Schöner hat bislang noch keiner die Zukunft so dargestellt, dass dort genau das eingetreten ist, was man selbst stets vertreten habe. Kostprobe? Nur drei, die machen fast Lust auf mehr: „Gutes tun reicht Stiftungen nicht mehr. Sie haben den Anspruch, das maximal Mögliche zu erreichen“, heißt es da beim Schlaglicht 5. Und kurz vorher, versteckt im Schlaglicht 4: „Immer mehr Stiftungen setzen sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft ein.“ Ach, man will pausenlos weiterzitieren. Einen hab ich noch, wir wandern von Höhepunkt zu Höhepunkt, jetzt sind wir mitten im Schlaglicht 7: „Das Ressourcenmanagement orientiert sich an den strategischen Erfordernissen.“ Da spürt man doch so richtig das Herz und das Herzblut und das Brennen für eine Idee, das den Stifter umtrieb.

Oder die Stifterin. Denn den gewollten Schnitzer von vorhin müssen wir noch kurz auflösen. „Mitgliederinnen“ stand schon vor Jahren in einem Schreiben des Germanistenverbandes (nicht mal des Germanistinnenverbandes). Selbst so lustige Monster wie die Angestelltinnen schleichen sich immer häufiger auch bei Stiftungen ein. Es ist absurd, und vermutlich werden nun ausgerechnet die Stiftungen die Gordische Knötin nicht zerschlagen. Der Grat oder besser die Klamm zwischen Barrierefreiheit und Genderung der Formulierungen wird immer schmaler. Aber da zwängen wir uns nächstes Mal hindurch.

Von → Allgemein