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Nicht nur Freiheit, sondern auch Stifterfreiheit

von broemmling am 2. November 2014

[Hinweis: Bei dem Text handelt es sich um die leicht geschärfte Form einer Kolumne, die regelmäßig in den Nachlieferungen des Loseblattwerkes „StiftungsManager“ erscheint. Im Blog wird ab 2015 die Kolumne veröffentlicht, sobald eine Nachlieferung die jeweils nächste, neue Kolumne gedruckt hat. So bleibt der aktuellste Text den Abonnenten des Verlages Dashöfer vorbehalten, und der nächstjüngste Text lädt hier gleichzeitig dazu ein, selbst Abonnent zu werden. Ansprechpartnerin im Verlag ist Alexandra Benn. Ältere Kolumnen werden hier nach und nach eingefügt. Die nachstehende Kolumne erschien, von einer bösen Pointe befreit, in der Nachlieferung 39 im September 2014.]

Was hielt der Sommer bereit? Wir sind besser vernetzt. Zuweilen trifft man die Kollegen Stiftungsexperten und die Kollegen Journalisten überhaupt nicht. In diesem Sommer waren es gleich drei solcher Zusammenkünfte. Geheimtreffen manchmal, mal öffentlich, in kleinem Kreise oder großem Rahmen. Eins aus dem Stiftungsjournalismus sei erwähnt. Aber hier wird nur inhouse berichtet, die Konkurrenz kann weiterschlafen….

Der StiftungsTag in Hamburg – er liegt in weiter Entfernung. Ein Treffen der Autoren des StiftungsManagers (bevor Sie jetzt noch einmal vorne auf den Umschlagdeckel schauen: Ja, es ist dieses Loseblattwerk gemeint) war schon fast das Effektivste, was man dieses Mal tun konnte. Gut, nun ist Tee nicht jedermanns Sache (und wenn ich meine Nachbarin recht verstanden habe, ist er jederfraus Sache auch nicht unbedingt). Aber man ist nun mal in Hamburg, und stilvoll im schicken Ambiente saß man schon zusammen und tauschte sich über Stiftungsthemen aus, und Tee war nun mal eine der wichtigen edlen Handelswaren der Hamburger Kaufleute. Aber war das nicht Tabak auch? Achso, hier raucht niemand mehr, habe ich noch nie. Also das Salzkontor? Stockfisch?? Pelz??? Na gut, dann treffen wir uns nächstes Mal vielleicht doch wieder im Teekontor. Hat Spaß gemacht – und war informativ – und gut hat es geschmeckt (ich rede mich hier doch sonst um Kopf und Kragen)! Besonders geschickt war es, das ist wirklich ernst gemeint, das Treffen gleich an den Anfang der Tage zu setzen. Denn was danach kam, war nur noch Hitze und zerflossene Dreiteiler. Schon der Weg zur abendlichen Eröffnungsveranstaltung mit Bundespräsidenten wurde zu einer Qual in der Hitze. War es das wert?

Es war das Letzte! Also nicht falsch verstehen: Es war das Letzte, für das es sich wirklich gelohnt hatte, in der Hitze zu leiden. Was für ein Auftakt! Mit drei Überraschungen. Die erste Überraschung: Dieser Präsident kann auch über andere Themen als Freiheit sprechen. Zum Beispiel über Stifterfreiheit. Er wollte den Stiftern und Stiftungsvertretern danken, und wenn das nicht abgesprochenes Drehbuch war, als er aus dem Dunkel in den Scheinwerferkegel ans Pult trat und den Inspizienten um mehr Licht bat (beinahe goethesk, aber bitte noch nicht abtreten) – mit der Begründung, nicht er sei heute die Hauptperson, sondern wir alle im Zuschauerraum: wenn das also spontan war, und es hatte den Anschein, alle Achtung, das saß! Zweite Überraschung: Einer predigt immer. Die Predigt hielt an diesem Abend aber nicht der Bundespräsident. Dritte Überraschung: Ein freches Lied von Anna Depenbusch beschwingt ungemein. Es macht eben doch der Ton die Musik, und Anna Depenbusch lächelt und kann auch vor altehrwürdigen Stifterinnen Un-Verschämtes singen unter bestem Beifall.

Es ist immer dasselbe: Wenn ich mir vorgenommen habe, nicht über den Stiftungstag zu schreiben, wird die Kolumne voll davon. Aber manche Bilder bekommt niemand aus dem Kopf. Es ist ein kleines Lehrstück davon, dass man Sprache gar nicht so böse denken kann, wie es dann eben doch dem einen oder anderen gegeben ist, der von anderer inhaltlicher Seite an die Sache herangehen will oder herangehen muss. Und gerade im Jubiläumsjahr, in dem wir vor allem an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges erinnern, wenn wir nicht gerade von anderer Seite selbst daran erinnert werden, fällt mancher Alarm aus, der doch im Vorjahr bei 80 Jahren Ermächtigungsgesetz gerade noch gewartet worden war. Was also war in Hamburg passiert? Ein neuer Stiftungsservice war ins Leben gerufen, und das ist doch an und für sich gar nichts Beanstandenswertes. Vielleicht ist man zu sehr vom Marketing beeinflusst worden, vielleicht findet man es auch selbst schön, wenn alles fertig gestaltet vor einem liegt, noch bevor es fertig gedacht war. Und seitdem die Binnenmajuskel nicht mehr aus dem StifTungstag, Entschuldigung, StiftungsTag wegzubekommen ist, muss eben auch die überall rein. An dieser Stelle noch einmal die dringende Bitte an die Körber-Stiftung, so zu bleiben, wie sie ist und nicht irgendwann mit allen mitzumachen und wahlweise als Körber Stiftung oder als KörberStiftung die nächste Agentur mit dem nächsten Relaunch zu beauftragen. Die Körber-Stiftung hat gezeigt, dass es klappt mit dem Motto des Hamburger STifTungsTages: „Mitten im Fluss, aber gegen den Strom“. Mitten im Fluss, aber gegen den Uhrzeigersinn war dagegen die Vorstellung des neuen Deutschen StiftungsService (DSS). Man wolle in Zukunft für mehr Qualität im Stiftungswesen auch bei der Treuhandverwaltung sorgen. Ein Zertifikat, noch ein Gütesiegel ist die Lösung. Eine Kommission, berufen vom Bundesverband Deutscher Stiftungen, prüft Treuhänder auf Leib und Magen. Oder war das auf Leber und Niere? Ich glaube, die Redewendung war hier auf Biegen und Brechen. Oder auf Gedeih und Verderb. Ja, jetzt haben wir’s. Und was macht der Deutsche StitungSService? Der organisiert den Auswahlprozess. Damit alles mit rechten Dingen zugeht. Die Vorstellung ging tatsächlich glatt über die Bühne. Inhaltlich ist nur wenig zu beanstanden. Wenn ein Team unabhängiger Experten des Stiftungswesens zusammenkommt. Und wenn es die Geprüften nichts kostet. Sonst gibt es die Neuauflage der Kritik am Spendensiegel. Wir schauen einfach mal in näherer Zukunft, wie viele Mitglieder im Vergabeausschuss über Gütesiegel ja oder nein entscheiden dürfen, die nicht Mitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen sind. Der Bundesverband erinnert mich da immer am meine Großmutter, die, als mein Großvater ihr den Heiratsantrag gemacht hatte, sagte: „Ja, Otto, aber katholisch musst du vorher schon noch werden.“ Hat übrigens funktioniert. Funktioniert beim Bundesverband auch immer.

Wenn der Inhalt durchging, was war es dann? Es meldete sich ein Herr in der Ecke und sagte, man werde da auf keinen Fall mitmachen. Die anderen Teilnehmer drehten sich verdutzt um: diese Buchstaben, dieses Logo, die zwei großen „S“… Am Einwand dieses Vertreters einer Stiftung, die sich sehr sensibel mit der Aufarbeitung von Geschichte und vor allem auch mit der Außenwirkung befasst hatte, war irgendwie etwas dran, fanden die meisten. Doch Hilfe kam schnell und spontan und unüberlegt, und man versuchte, das Logo ein wenig zu modifizieren. Es wurde immer schlimmer, die Großbuchstaben, die noch eine leichte Kurve hatten, wurden plötzlich noch runenhafter, was man doch gerade vermeiden wollte. Wäre der Schatten, der da plötzlich über der Veranstaltung war, nicht so schwarzbraun gewesen, hätte man es mit Humor nehmen und eine alte Berliner Weisheit anführen mögen (ich bin mir nicht sicher, ob das Tucholsky war, aber Berlin kann nicht so falsch sein, Wehner hin, Wehner her): „Der Quatsch wird immer quätscher, bis er quietscht.“

Über die Binnenmajuskel ist man noch nicht hinweg. Und der Deutsche StiftungsService steht im Internetangebot immer noch direkt unter der DSA. Allerdings hier ohne Abkürzung. Bis der nächste Neue, der vielleicht nicht wegen einer besonderen Empathie eingestellt wurde, dann eben doch mal das Kürzel setzt. Und dann ist der Bundesverband Deutscher Stiftungen plötzlich mit DSA und DSS aufmarschiert. Verzeihung! Sollte natürlich „aufgeführt“ heißen.

Es ist eben doch von Vorteil, ein kleines bisschen Sprachsensibilität zu besitzen, quasi einen Sensor, der immer mitläuft. Aber Ausreißer gibt es in den besten Familien. In den bekanntesten Redaktionen. Hatte ich an dieser Stelle schon einmal die Überschrift auf Seite 1 der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 1993 zitiert? „CDU/CSU-Fraktion läßt Schäuble hängen“ stand da. Nicht der Aufmacher. Aber der Bringer. So kann man natürlich auch mit einer kleinen Überschrift Großes bewirken.

Auf jeden Fall also unvergessen. Und wenn sich noch so viel Erfolg an die Fersen des neuen Stiftungsservice haftet: Der Auftakt wird vielen in Erinnerung bleiben. In solchen Fällen spielt das Gehirn noch jedem einen Streich. Große Damen können davon ein Lied singen, wie mir eine Stifterin (nicht beim Stiftungstag) erzählte, die auch Künstlerin ist. Da hat sie ein beeindruckendes Lebenswerk hinter sich – und worauf sprechen die Leute sie an. Auf eine Affäre. Was bleibt in Erinnerung? Ein kleines Episödchen mit einem berühmten Herrn? Das anerkannte, zuweilen gar gepriesene künstlerische Schaffen? Die stifterische Leistung? Unsere erste Antwort ist vermutlich: Heute würde die erste Antwort gelten, früher war das anders. Dabei haben wir vielleicht daran gedacht, dass das Panorama der Süddeutschen Zeitung oder die interviewten Personen auf den Geld-Seiten den Themen der BUNTEN oder den Porträtierten aus dem Goldenen Blatt immer ähnlicher werden, sich inzwischen sogar oft gleichen. Wir mögen damit Recht haben. Falsch war der zweite Teil unserer Mutmaßung. Es war früher auch schon so. Emilie Lindner, die zu Lebzeiten noch eine bewunderte Malerin und eine verehrte Mäzenin war, blieb der Geschichtsschreibung eigentlich nur als Altersliebe Clemens von Brentanos im Gedächtnis. Was für eine unverschämte Reduzierung! Wenn Sie noch einmal darüber nachdenken, ob Sie lieber Mäzenin oder Stifterin werden wollen, halten Sie sich das Schicksal Emilie Lindners vor Augen. In diesem Fall hat alles noch eine gute Wendung genommen: Teresa Bischoff hat das Leben der Münchnerin aus Basel historisch-kritisch und kunstgeschichtlich untersucht und der Malerin und Sammlerin ein großes, der Mäzenin zumindest ein kleines Denkmal gesetzt. Aber wir können uns nicht alle darauf verlassen, dass irgendwann eine Teresa Bischoff kommen wird und 150 Jahre nach unserem Tod noch die wahren Schwerpunkte unseres Lebens unter die Lupe nimmt.

Von → Allgemein